Kunst und Kunstmarkt, Teil 3
[ENGLISH VERSION COMING SOON]
Im aktuellen Blog geht es um zwei Themen, zum Einen geht es um die Frage, was Instagram, TikTok und Konsorten aus der Kunst machen, wie sie eventuell das Individuelle, Persönliche, Kritische, Emotionale an Kunstschöpfungen eliminieren und so dafür sorgen, dass es nur noch eine Form der massentauglichen und unkritischen Kunst und Kultur gibt.
Zum Anderen wollen wir ein wenig an dem sauberen Image der Kunstmarktes kratzen. Wir hinterfragen den Sinn und Zweck von Zollfreilagern und anderen kriminellen Machenschaften, die dieser im Wesentlichen doch ziemlich (absichtlich?) undurchsichtige Markt so mit sich bringt.
- FRAGE 5 -
ARTLETstudio:
Welche Auswirkung hat in diesem Zusammenhang der starke Konsum von Instagram und TikTok?
Hella Schmidt:
Der starke Konsum von Plattformen wie Instagram und TikTok hat erhebliche Auswirkungen auf den Kunstmarkt und das Verhalten, die Interessen und die Erwartungen jüngerer Kunstfreunde. Diese Plattformen prägen zunehmend, wie Kunst wahrgenommen, präsentiert, konsumiert und erworben wird. Im Zusammenhang mit der Frage nach Authentizität und dem Interesse an Originalkunstwerken ergeben sich folgende wesentliche Effekte:
- Ästhetisierung und Visuelle Dominanz
Instagram und TikTok sind stark visuell orientierte Plattformen, die darauf ausgelegt sind, durch kurze, auffällige Inhalte die Aufmerksamkeit der Nutzer zu gewinnen. In diesem Umfeld wird Kunst oft in erster Linie als visuelles Erlebnis wahrgenommen. Diese Betonung auf Ästhetik und visuelle Anziehungskraft führt dazu, dass junge Kunstfreunde möglicherweise weniger auf traditionelle Merkmale wie Authentizität, Signatur oder Zertifizierung achten und mehr Wert auf die unmittelbare visuelle Wirkung legen.
Kunstwerke, die „instagrammable“ sind – also visuell ansprechend, leicht konsumierbar und geeignet für soziale Medien –, können bevorzugt werden. Dies könnte das Interesse an Originalkunstwerken, die weniger medienwirksam sind oder nicht so leicht in digitale Formate übersetzbar sind, verringern. Auf der anderen Seite kann dies aber auch die Sichtbarkeit und den Wert von Originalkunstwerken steigern, die besonders fotogen sind oder sich leicht online teilen lassen.
- Kurzfristige Trends und virale Phänomene
Der Konsum von Inhalten auf Instagram und TikTok ist oft durch schnell wechselnde Trends und virale Phänomene geprägt. Diese Dynamik kann dazu führen, dass Kunstkäufer sich stärker von momentanen Moden und populären Themen leiten lassen. Junge Menschen könnten sich für Kunst interessieren, die gerade „im Trend“ ist oder durch Influencer und virale Kampagnen an Popularität gewonnen hat, unabhängig davon, ob es sich um ein Original oder eine Reproduktion handelt.
Dies bedeutet, dass das Interesse an traditionellen Aspekten der Originalität und Authentizität schwanken kann und oft von kurzfristigen Trends abhängig ist. Kunstwerke, die es schaffen, auf diesen Plattformen viral zu gehen oder stark präsent zu sein, können von einem temporären Anstieg der Nachfrage profitieren, auch wenn sie nicht den klassischen Kriterien von Originalität entsprechen.
- Direkte Künstler-Käufer-Interaktionen und Demokratisierung des Marktes
Instagram und TikTok ermöglichen Künstlern, direkt mit ihrem Publikum zu kommunizieren, ihre Werke zu präsentieren und sogar direkt zu verkaufen, ohne die traditionellen Zwischenhändler wie Galerien oder Kunsthändler. Diese direkte Interaktion schafft eine neue Form der Authentizität, die für jüngere Kunstkäufer attraktiv ist. Sie fühlen sich oft stärker mit Künstlern verbunden, die sie über soziale Medien verfolgen, ihre Arbeit in Prozessen sehen und persönliche Einblicke in ihr Schaffen bekommen.
Dieser direkte Zugang kann dazu führen, dass das traditionelle Interesse an Zertifikaten und Signaturen durch ein Vertrauen in die persönliche Verbindung oder die Authentizität der sozialen Medienpräsenz des Künstlers ersetzt wird. Junge Käufer könnten mehr Wert auf die Beziehung zum Künstler und die Geschichte des Kunstwerks legen, als auf die formelle Echtheitsbestätigung durch traditionelle Institutionen.
- Wertschätzung für neue Kunstformen und digitale Kunstwerke
Da Instagram und TikTok digitale Plattformen sind, haben sie auch die Wahrnehmung und Akzeptanz digitaler Kunstwerke erheblich gefördert. Künstler, die digitale Kunst, Animationen, Videokunst oder Mixed-Media-Werke produzieren, finden auf diesen Plattformen oft ein breites und engagiertes Publikum. Das Interesse an digitalen Kunstformen, die per se keine physischen Originale im traditionellen Sinne darstellen, hat zugenommen.
In diesem Kontext kann die Definition dessen, was als „Originalkunstwerk“ gilt, ausgeweitet werden. Ein digital geschaffenes Werk, das direkt vom Künstler stammt und über soziale Medien verbreitet wird, kann als genauso wertvoll erachtet werden wie ein physisches Original. Die Plattformen fördern diese neue Wertschätzung, indem sie Raum für innovative Präsentationsformen und kreative digitale Formate bieten.
- Beeinflussung durch Influencer und Social Proof
Instagram und TikTok sind stark von Influencern und sogenanntem „Social Proof“ geprägt. Die Kaufentscheidungen junger Kunstfreunde können daher stark durch die Empfehlungen und das Verhalten von Personen beeinflusst werden, denen sie folgen oder denen sie vertrauen. Wenn Influencer oder prominente Persönlichkeiten Kunstwerke kaufen, teilen oder empfehlen, steigt die Wahrnehmung ihres Wertes.
Diese Dynamik kann dazu führen, dass junge Käufer weniger Wert auf die traditionelle Authentifizierung legen und mehr auf die soziale Bestätigung und die Popularität eines Kunstwerks achten. Ein Werk, das durch prominente Unterstützung oder breite öffentliche Anerkennung auf diesen Plattformen an Wert gewinnt, kann für sie genauso wertvoll sein wie ein durch traditionelle Mittel zertifiziertes Original.
Der starke Konsum von Instagram und TikTok hat das Interesse jüngerer Kunstfreunde an Originalität und Authentizität verändert, aber nicht vollständig eliminiert. Während die visuelle Wirkung, die Direktheit der Künstler-Käufer-Interaktionen und die Wahrnehmung von Trends zunehmend an Bedeutung gewinnen, bleibt die Wertschätzung für Originalität und Authentizität in neuen Formen bestehen. Diese Entwicklung zeigt, dass sich traditionelle Konzepte von Kunst und Echtheit anpassen müssen, um den veränderten Erwartungen und Konsumgewohnheiten einer digital vernetzten Generation gerecht zu werden.
ARTLETstudio:
Danke soweit. Auf dieses Thema gehen wir in einem der nächsten Blogs noch genauer ein, wenn wir fragen, welche Auswirkungen die digitalen Medien auf die Rezeption und das kreative Gestalten der Künstler hat. Aber jetzt fragen wir erst einmal, wie eng Kunst und Kriminalität miteinander verbandelt sind.
- FRAGE 6 -
ARTLETstudio:
Wie steht es um den sogenannten gehobenen Kunstmarkt, der vor allem überteuerte Kunstwerke wie Aktien verkauft und dadurch einen Großteil wichtiger Kunstwerke in sogenannte Zollfreilager verbannt und der zudem erheblich zu krimineller Geldwäsche in internationalen und umfangreichem Maße beiträgt?
Hella Schmidt:
Der gehobene Kunstmarkt, insbesondere der Handel mit sehr teuren Kunstwerken, ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Fokus von Kritik geraten. Es gibt mehrere zentrale Probleme, die den Markt betreffen und ihn in Verbindung mit Praktiken wie Spekulation, Steuervermeidung und Geldwäsche bringen. Hier sind die wichtigsten Aspekte:
- Kunst als Spekulationsobjekt und Finanzinstrument
Im gehobenen Kunstmarkt werden Kunstwerke oft wie Aktien oder andere Wertanlagen gehandelt. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass Kunstwerke als Finanzinstrumente betrachtet werden, die weniger aus ästhetischen oder kulturellen Gründen gekauft werden, sondern in erster Linie als Investition mit der Erwartung, dass ihr Wert steigt.
Diese Praxis hat zu einer erheblichen Preisinflation geführt, da Sammler, Investoren und Fonds Kunstwerke zunehmend als spekulative Vermögenswerte betrachten. Der Wettbewerb um “Blue-Chip-Künstler”, deren Werke als besonders wertstabil gelten, treibt die Preise weiter in die Höhe. Die Folge ist, dass bedeutende Kunstwerke oft in privaten Sammlungen oder Lagerhäusern verschwinden, anstatt in Museen oder öffentlichen Räumen gezeigt zu werden, wo sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wären.
- Zollfreilager: Versteckte Kunstschätze
Ein Großteil der wertvollsten Kunstwerke wird in sogenannten Zollfreilagern gelagert, die sich in Städten wie Genf, Singapur und Luxemburg befinden. Diese Lagerhäuser bieten die Möglichkeit, Kunstwerke und andere wertvolle Güter zollfrei zu lagern, was bedeutet, dass keine Steuern oder Zölle fällig werden, solange die Waren im Lager bleiben und nicht in den regulären Handel gelangen.
Diese Lager sind oft hochgesichert und bieten Anonymität für die Eigentümer. Viele der Werke bleiben jahrelang in diesen Lagern, ohne dass sie ausgestellt oder öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies führt dazu, dass bedeutende Kunstwerke buchstäblich „verschwinden“ und die kulturelle Öffentlichkeit davon ausgeschlossen wird. Zudem bieten diese Lager den Besitzern die Möglichkeit, Kunstwerke zu kaufen, zu verkaufen oder zu verpfänden, ohne dass diese jemals physisch den Lagerort verlassen.
- Geldwäsche und Steuervermeidung im Kunstmarkt
Der gehobene Kunstmarkt ist anfällig für Geldwäsche und Steuervermeidung. Kunstwerke können leicht als Vehikel für die Übertragung großer Geldsummen dienen, da sie aufgrund ihres einzigartigen Charakters schwer zu bewerten sind und oft inoffiziell oder privat gehandelt werden. Diese Intransparenz und die fehlende Regulierung machen es leicht, den Ursprung und das Ziel großer Geldbeträge zu verschleiern.
Durch den Einsatz von Kunstwerken zur Geldwäsche können Kriminelle illegale Gelder in scheinbar legale Investitionen umwandeln. Ein Beispiel: Ein Kunstwerk wird zu einem überhöhten Preis von einem Komplizen gekauft und dann an einen Dritten weiterverkauft, wodurch das illegale Geld in den legalen Wirtschaftskreislauf eingebracht wird.
Es gibt zahlreiche Berichte und Untersuchungen, die zeigen, dass der Kunstmarkt in internationalen Geldwäschefällen eine Rolle spielt. In den USA und Europa haben Aufsichtsbehörden Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Praktiken verschärft, indem sie beispielsweise mehr Transparenz und Dokumentation bei Transaktionen fordern, aber viele Lücken bleiben bestehen.
- Intransparenz und mangelnde Regulierung
Der Kunstmarkt ist weitgehend unreguliert und intransparent. Es gibt keine zentralisierte Aufsichtsbehörde, die Verkäufe überwacht, und oft werden Kaufverträge privat abgewickelt, ohne die Preise oder die Identität der Käufer und Verkäufer offenzulegen. Dies schafft einen Nährboden für Steuerflucht, Preismanipulation und andere illegale Aktivitäten.
In den letzten Jahren haben einige Länder, darunter die USA und die EU-Mitgliedstaaten, Schritte unternommen, um den Kunstmarkt stärker zu regulieren, etwa durch die Einführung von Anti-Geldwäsche-Gesetzen, die auch den Kunsthandel einschließen. Doch der Markt bleibt ein komplexes, internationales Netzwerk, in dem viele Transaktionen über private Netzwerke, Offshore-Konten und diskrete Auktionshäuser abgewickelt werden.
- Kritik und mögliche Reformen
Die Praktiken im gehobenen Kunstmarkt stehen zunehmend in der Kritik, sowohl von Regierungsbehörden als auch von Kunstexperten, die eine größere Transparenz und Regulierung fordern. Es wird argumentiert, dass Kunst als kulturelles Gut behandelt werden sollte, das für die Gesellschaft zugänglich ist, und nicht nur als Investitionsobjekt für eine wohlhabende Elite.
- Vorschläge für Reformen umfassen:
• Stärkere Regulierung und Transparenzanforderungen: Einführung von Vorschriften, die Transparenz über den Ursprung und die Eigentümerschaft von Kunstwerken verlangen, insbesondere bei teuren Transaktionen.
• Steuerliche Anpassungen: Maßnahmen zur Schließung von Steuerlücken, die den Einsatz von Zollfreilagern und Offshore-Standorten zur Steuervermeidung erschweren.
• Anti-Geldwäsche-Maßnahmen: Ausweitung bestehender Anti-Geldwäsche-Richtlinien auf alle Akteure im Kunstmarkt, einschließlich Galerien, Auktionshäuser und freie Kunsthändler.
Der gehobene Kunstmarkt hat sich zu einem Bereich entwickelt, der oft von spekulativen Investitionen und intransparenten Praktiken geprägt ist, was ihn anfällig für Missbrauch macht, insbesondere im Hinblick auf Geldwäsche und Steuervermeidung. Während Reformen in einigen Regionen vorangetrieben werden, bleibt der Markt weitgehend unreguliert, was weiterhin Kritik und Bedenken hinsichtlich seiner Rolle als kulturelle und wirtschaftliche Plattform hervorruft. Die Herausforderung besteht darin, einen Weg zu finden, Kunst als wertvolle Investition und als öffentlich zugängliches kulturelles Gut zu erhalten und zu fördern.
Nächste Woche geht es weiter. Stay tuned!
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