Willows macht blau [2]

Frühlingsdüfte und -klänge

Der verspätete Frühling startet mit voller Farbenpracht und überschüttet das Land und die Berge mit einer wahren Flut an blühenden Blumen und Bäumen. Kennen viele Reisende die Insel Kreta nur als recht trockenen Brocken, so könnten sie sich im Jahr 2022 – einem Jahr, das so viele Menschen schon jetzt liebend gerne überspringen würden, wohl wissend, dass Machtwahn und Klimakatastrophe nicht so schnell aussterben werden – ein ganz anderes Bild machen.

[Blühende Büsche bei Agia Galini]

Sattes Grün konkurriert mit dem tiefen Blau des Himmels und den leuchtenden Farben von Blüten und den Zitrusfrüchten, die es sich leisten, in Blüte zu stehen und gleichzeitig ihre gelben und orangenen Früchte zur Schau zu stellen. Das ganze optische Orchester wird derweil von einem vielstimmigen Chor der Düfte begleitet, die einem an jeder Ecke mit einer neuen Komposition aufwarten.
Allerdings gibt es hier auch mindestens zwei Ausnahmen, denen man besser nicht zu nahe kommt. Dracunculus vulgaris, auch Drachenwurz genannt, lockt mit dem wunderbaren Duft von Aas Insekten an. Dabei muss man sagen, dass ihre Optik mit dem tiefvioletten Blütenkelch, der darunter liegenden Fruchtknolle und dem gemusterten Stamm durchaus etwas zu bieten hat. Mehr jedenfalls als ein mickriger, brauner und ziemlich langsamer Vertreter der Tausendfüßler, der hier unter dem Namen „Stinkwurm“ bekannt ist. Mäßig unappetitlich (oder?) für Insektenneurotiker, ist er solange völlig harmlos, wie er nicht getreten wird. Nicht dass er sich dann in eine bissige Version seiner selbst verwandelt, er stirbt einfach, aber das nicht ohne einen erbärmlichen Gestank zu hinterlassen. Der/die gewiefte Einheimische, ob zwei- oder vierbeinig, oder der/die informierte Reisende lassen ihn deshalb seine unergründlichen Ziele suchen, die er allerdings meist in eher vertrocknetem Zustand zu erreichen scheint. Sollte es tatsächlich ein göttliches Design geben, hat hier die Regel „Form follows Function“ gewaltig versagt.
So sind in dieser Frühlingszeit Auge und Geruchssinn gefordert. Dabei nicht außer Acht zu lassen ist das Ohr. Neben den rasant fliegenden und sich durch ihre hohen Töne orientierenden Mauerseglern sind die lokalen Schwalben mit ihrem lautstarken und vielschichtigen Geschwätz eine permanente Begleitung Und die gerade hyperaktiven Bienen bringen ganze Wälder zum Summen, zwischendurch unterbrochen von dem ständigen, etwas blöden Gegurre der Tauben, dem Geblöke und Gebimmel herumziehender Schafe und dem Gemecker der Ziegen. Zwischendurch wird man von den überall herumlaufenden Katzen erschreckt, die in permanentem Bürgerkrieg zu stecken scheinen, oder von verblödeten Hunden, die offensichtlich einen Wettbewerb ausgerufen haben, wer als erster seine Stimme verliert.

...und das ist der kleine Stinker


Gemerkt, was fehlt? Die verblödeten Sackträger, die mit ihren Mopeds ohne Schalldämpfer von Zeit zu Zeit in kleinen bis mittleren Horden die natürliche Ruhe aufmischen, gelegentlich unterstützt von Autofahrern, die ihre Rostbeulen lautstark durch die Straßen bewegen. Wobei es zwei Kategorien zu geben scheint: Diejenigen, die, egal jetzt mal warum und wie gefährlich, immer schneller sein müssen als der vor ihnen Fahrende, oder diejenigen, die sich gerade noch daran erinnern können, dass ihr zerknautschter 50er-Jahre-Toyota in etwa die gleichen Bedienelemente aufweist, wie sie ihr Vorkriegstraktor hatte. Über den Gebrauch oder besser Missbrauch von Verkehrsschildern, Blinkern, Fahrspuren und all den anderen üblicherweise verkehrsregelnden Elementen des Straßenverkehrs werde ich in Kürze berichten.

[Fortsetzung folgt]

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